Samstag, 8. Oktober 2016

Quinzeañera, Abstimmung, Nobelpreis und Englischtag

Am Freitag, 30.09., feierte Natalia ihren 15. Geburtstag.
Der 15. Geburtstag wird in Kolumbien bei Mädchen besonders gefeiert. Die Feier "ehrt" den Übergang vom Kind zur Frau.
Bei Natalia fand diese Feier am Samstagabend im Gemeinschaftssaal unseres Quartiers statt. Der ganze Saal war in den Farben Blau-Violett-Rosa geschmückt. Die Feier sollte laut Einladung um 19:00 Uhr beginnen, die letzten Gäste kamen jedoch erst um 21:30 Uhr und erst dann konnte das Fest beginnen. Die Quinzeañera wurde von ihrem Vater in den Saal geführt, wo alle ihre männlichen Verwandten (ich wurde auch zu den Verwandten gezählt) mit Rosen Spalier standen. Danach tanzte Natalia zuerst mit ihrem Vater einen Walzer, dann waren alle anderen männlichen Verwandten an der Reihe. Ich musste/durfte gleich nach meinem Gastvater mit Natalia einen Walzer tanzen, da der Bruder direkt nach dem Vater mit der Quinzeñera tanzt. Anschliessend hielten verschiedene Leute Reden für Natalia, jedoch ging plötzlich der Strom und somit das Licht aus. Also wurde der traditionelle Teil mit den Reden etc. übersprungen. Nach ca. 10 Minuten ging das Licht dann wieder an und es wurden Fotos mit der Quinzeañera gemacht. Darauf gab es leckeres Essen (eine extra organisierte Küchencrew war dafür verantwortlich) und danach wurde getanzt (ein DJ legte Musik auf). Jedoch hatte ich keine Ahnung, wie man zu dieser Musik hier tanzt. Aber die anderen Jugendlichen zeigten mir es vor und ich machte einfach so gut wie möglich alles nach :) Leider ist es gar nicht einfach, zu dieser Musik zu tanzen, da es verschiedene Stile gibt und diese alle anders getanzt werden.
Um 01:00 Uhr war dann fertig mit Musik und die Leute gingen nach Hause. Ich half noch beim Aufräumen, so kam ich "erst" um 03:30 Uhr ins Bett.

Mehr Fotos der Quinzeañera folgen noch!

Am Sonntag wurde ich "schon" um 12:30 Uhr geweckt, da Abstimmungssonntag über den Friedensvertrag mit den FARC war. Ich durfte mit meinen Gasteltern mit zur Stimmabgabe gehen. Die Wähler werden jeweils dem nächstgelegenen Wahllokal zur Stimmabgabe zugewiesen.
Das "Stimmlokal" war in einer Schule, an dessen Eingang und davor bewaffnete Polizisten standen und auch die Strasse vor der Schule war abgesperrt. In der Schule hingen überall Plakate, dass man keine Fotos machen dürfe, also keine Fotos von der Stimmabgabe :(
Meine Gasteltern mussten sich an einem Empfangstisch mit ihrem Ausweis anmelden (ihre Ausweisnummer wurde danach auf der Liste abgestrichen), danach bekamen sie einen Zettel mit zwei Kästchen darauf, Eines für Ja, das Andere für Nein. Im Saal hatte es auch solche "Kartonsichtschütze", wo man den Zettel ausfüllen muss. Schliesslich warfen meine Gasteltern den Zettel in eine Abstimmungsurne.
Symbolbild der Stimmabgabe
Am Abend schauten wir dann Fersehen, um das Resultat der Abstimmung zu erfahren. Die Wahllokale hatten um 16:00 Uhr geschlossen und die letzten Stimmen waren bis um 17:00 Uhr ausgezählt. Vor 17:00 Uhr schwankte das Ergebnis immer knapp zwischen einem Ja/Nein hin- und her, kurz vor 17:00 Uhr kippte es dann aber definitiv ins Nein! Die Kolumbianer haben den Friedensvertrag mit den FARC abgelehnt!
20 Minuten vor dem Ende des Auszählens
Kurz vor dem Ende des Auszählens
Die Randregionen (die betroffenen Gebiete) und Bogotá stimmten Ja, der restliche Zentrale Teil (vom Konflikt wenig betroffen) Nein. Dies hat damit zu tun, dass dieses Gebiet das "Wählergebiet" von Ex-Präsident Álvaro Uribe ist, denn dieser war gegen das Abkommen. Und da die Leute in dieser Region sehr zahlreich an die Urnen gingen, gewann schliesslich das Nein mit einem hauchdünnen Vorsprung von 50,21%. Die Wahlbeteiligung lag aber nur bei rund 37 Prozent. Dieses Endresultat ist aber ziemlich überraschend.

Die Leute in Kolumbien sind aber nicht generell gegen den Frieden! Eigentlich wollen hier alle Frieden, sie sind aber nicht mit den Abkommen im Friedensvertrag einverstanden.

Viele Leute hier in Kolumbien werten das Nein auch nicht als Auftakt zu neuen Kämpfen. Sondern als Absage an einen Friedensvertrag, der den Farc-Führern, die verantwortlich waren für Entführungen, Zwangsrekrutierungen von Kindern, Landraub und Vertreibungen von Hunderttausenden sowie für die Produktion und den Vertrieb von Kokain, weitgehende Straffreiheit einräumt. Und auch als Absage an die Vorstellung, dass die Guerilla-Kommandeure nun direkt in die parlamentarische Politik einsteigen können, und das selbst dann, wenn sie während der kommenden zwei Legislaturperioden nicht die notwendigen Stimmen zusammenbekommen.

Am Abend verkündete Präsident Santos, dass er versuchen werde, die Verhandlungen mit den FARC fortzusetzen und sich auch mit den Gegnern des Abkommens zu treffen, damit ein neuer Vertrag zustandekommen könne, der dann auch vom Volk angenommen werden wird. Auch der FARC-Chef "Timochenko" kündete an, die Verhandlungen fortführen zu wollen.
Auf alle Fälle wurde die Waffenruhe in Kolumbien vorläufig bis Ende Monat verlängert.

In der Nacht auf Freitag wurde bekannt, dass der kolumbianische Präsident Santos den diesjährigen Friedensnobelpreis gewinnen wird. Dies, obwohl das Volk den Friedensvertrag abgelehnt hatte.
Viele meiner Mitschüler empfinden den Friedensnobelpreis wie als einen traurigen Witz: Kolumbien hat jetzt zwar einen Friedensnobelpreis, aber immer noch keinen Frieden.
Präsident Santos
Am Freitag war an meiner Schule der "English Day". Zuerst hielten die Lehrer eine Ansprache, dann mussten Franziska und ich über die Wichtigkeit der englischen Sprache in der Welt erzählen, danach folgten die Hymnen und schliesslich sangen die Erst- bis Fünftklässler noch ein Lied auf Englisch. Auch wurden die jeweils zwei Besten in Englisch jeder Klasse geehrt. Den ganzen Tag lang durften wir Schüler dann in Gruppen auf Englisch verschiedene (spielerische) Aktivitäten machen, was mir sehr gefiel. Es war eine tolle Abwechslung zum Schulalltag.
Ehrung der zwei Besten Schüler in Englisch pro Klasse

In der Schule haben wir diese Woche mit der Klasse auch noch einen "Süssigkeitenanlass" durchgeführt: Jeder Schüler/jede Schülerin brachte für seine Klassenkameraden/-innen Süssigkeiten mit. Lecker!

Nächste Woche habe ich Ferien. Mit meiner Gastfamilie darf ich nach Medellin!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen